Gitarrenkunst und akustische Abenteuer

Wittlich. Der Gitarrist Sean Shibe hat in der Wittlicher Synagoge Stücke gespielt, die mit üblichen Harmonien wenig zu tun haben. Doch sind es gerade die ungewöhnlichen Klänge, die das Publikum an diesem Abend begeistert haben. Von Christoph Strouvelle - Trierischer Volksfreund 6.9.2018

Sean Shibe bei seinem Auftritt in der Wittlicher Synagoge. FOTO: Christoph Strouvelle
Sean Shibe bei seinem Auftritt in der Wittlicher Synagoge. FOTO: Christoph Strouvelle

Wohl selten erleben Besucher zwei so unterschiedliche Konzerthälften wie beim Auftritt von Sean Shibe in der Wittlicher Synagoge. Der schottische Gitarrist hat dort im Rahmen des Mosel Musikfestivals gespielt.

 

Intendant Tobias Scharfenberger ist offensichtlich vorher bereits bewusst, dass es sich bei der Musik des 26-Jährigen nicht um Mainstream-Musik handelt. „Er ist wie ein Wein: Man kann ihn mögen oder nicht mögen, man sollte ihn aber unbedingt probieren“, sagt er bei der Ankündigung über den jungen Musiker. Die erste Hälfte seines Programms Softloud spielt Shibe denn auch, wie man einen guten Wein genießt. Quasi Tropfen für Tropfen schenkt Shibe den 50 Zuschauern die einzelnen Töne in der Synagoge ein. Stets hochkonzentriert kommen die Klänge, mit großen Pausen, fein und besinnlich. Jeden Zupfer scheint sich der junge Schotte regelrecht zu erarbeiten. Startet er vor der Pause an der Akustikgitarre sanft und süß, wie er es selbst beschreibt, werden die von schottischen Komponisten stammenden Stücke, die Shibe teilweise selbst arrangiert hat, mit fortschreitender Dauer immer intensiver und bedrohlicher. Dabei sind es nicht die Töne, es sind die Pausen, die seine Musik besonders zur Geltung bringen.

 

Nach der Pause wechselt der Schotte von der Akustikgitarre zur E-Gitarre. Und damit ändert sich die gesamte Musik. In Steve Reichs „Electric Counterpoint for Electric Guitar and Tape“ ragen Shibes Soli aus einem Klangteppich heraus, der vom Laptop kommt. Die Besucher nimmt er damit gefangen, versetzt sie regelrecht in Trance, indem er seine Tonfolgen mit ganz wenigen Variationen eine Viertelstunde lang immer wieder spielt. Shibe produziert damit eine Spannung, der sich die Zuschauer nicht entziehen können. Genauso in Julia Wolfes Stück „LAD“, das mit groovigen Klängen startet wie ein Hardrock-Song, aus denen dann irgendwann Polizeisirenen heraustönen. Immer wieder steigen die Töne aus den Tiefen nach oben, bis Shibe das Stück mit einem Donner von der Gitarre unerwartet beendet. Die elektronischen Ausflüge steigern sich weiter bei David Langs verstörend wirkendem „Killer.“ Zu Störgeräuschen, wie man ihnen einst bei der Senderauswahl im Radio zwischen den Sendern begegnet ist, setzt Shibe zu einem temporeichen Gitarrensolo an, das mit lauten Schlägen von einer Pauke jäh beendet wird.

 

Mit üblichen Melodien und Harmonien hat das alles nichts mehr zu tun.

 

Es sind experimentelle Abenteuer, die Shibe dem Publikum präsentiert. Doch die kommen bei den Zuschauern an. Langanhaltender Applaus verabschiedet den jungen Schotten nach einer eindrucksvollen Vorstellung.